Rosa Einhörner und blaue Piratenseife

Gender-Marketing im Kinderzimmer

Für unseren Sohn Klamotten auszuwählen, war immer so schön einfach. Ich kaufte alle Farben außer pink, das ich eh nicht mag. Statt zu Trecker-Prints griff ich zu Tiermotiven. Das war aber eine reine Geschmacksfrage. Für ein Baby fand ich Eisbären oder Pinguine dann doch passender als große, röhrende Landmaschinen. 

Doch seit wir eine Tochter haben, stehe ich vor einer ganzen Farbpalette an Schweinchentönen: Himbeerrosa, Altrosa, Koralle und Lachs, Primrose, Alpenrose und Neonpink. Und bin überfordert.

Ich möchte einfach nur niedliche Babyklamotten kaufen. Für ein Baby, das noch nicht einmal weiß, dass es ein Mädchen ist. Ja, zugegeben: Ich hatte mich gefreut, nach all den Shades of Blue and Green (rot, orange oder gar lila mag man kleinen Jungen leider selbst in hippen Boutiquen nur selten zumuten), auch mal aus einer anderen Farbauswahl zu schöpfen. Aber warum muss an Mädchenklamotten immer mindestens eine Rüsche sein, die verhindert, dass man die Bodys später nachhaltig an kleine Brüder weiterreichen kann? 

Jede Schnabeltasse schreit: „Positionier dich!“ 

Was bei Klamotten schon nervt, setzt sich bei allen anderen Kinderprodukten fort. Jeder Trinkbecher kommt heute in den scheinbar unvermeidlichen Varianten rosa und hellblau daher. Manchmal gibt es als Kompromiss noch eine „genderneutrale“ Variante in mintgrün. 

Ich stehe davor und grübele erstmal, was mich kostbaren Raum in meinem eh schon vom Mental-Load qualmenden Gehirn kostet: Kaufe ich den „Mädchen-Becher“ in rosa, dann unterstütze ich dieses irre Gendermarketing, das Mädchen in die passive Prinzessinnenrolle drücken will und kleine Jungen zu Abenteurern, Helden, sprich „Machern“ abstempelt, die das Patriarchat munter weiterleben werden. Kaufe ich ihr aus Protest den blauen Becher, dann sieht es bei uns zuhause bald recht maritim und eintönig aus. Also doch mintgrün? Richtig glücklich macht es mich nicht. 

Warum gibt es nicht einen bunten Becher für alle? Warum nicht eine farbneutrale Auswahl zwischen Koalabären, Marienkäfern und Luftballons? 

Was wünschen sich Kinder?

Doch was ist, wenn meine Tochter später gerne pinke Kleidchen tragen möchte? Verbiete ich es ihr dann – und bestrafe sie noch für ein System, das Rollenbilder bereits in der Babywiege zementieren will? Unter dem sie so oder so leiden wird? 

Kaufe ich meinem Sohn dagegen etwas in lila, dann gelte ich in Gegenden wie Hamburg Eimsbüttel oder Berlin Prenzlauer Berg als woke. In der Provinz dagegen muss ich mich womöglich Fragen und Diskussionen stellen, auf die ich morgens in der Kita keine Lust habe.

Wir sollten unbequem sein, wenn wir gesellschaftlich etwas verändern wollen. Aber müssen wir unsere Kinder in Debatten mit reinziehen, die sie noch nicht einmal verstehen können?

Für mich habe ich noch keine klare Antwort auf diese Frage gefunden. Nur so viel: Bei uns zuhause ist Spielzeug für alle Kinder da, egal ob es eine Puppe oder ein Feuerwehrauto ist. Wir zwingen unseren Kindern kein Spielzeug auf und verbieten auch keines – außer gefährlichen oder nicht altersgerechten Sachen natürlich. Unser Sohn darf Nagellack und Haarspangen tragen, wenn er es sich wünscht. Genauso darf er mit Baggern oder Dinosauriern spielen. Unsere Tochter trägt die Latzhosen und Superheldenkostüme ihres Bruders auf und liebt ihre Puppe. Wir lassen sie selbst auswählen, ohne dass wir ihre Auswahl groß kommentieren. 

Kritisch hinterfragen, niemanden verurteilen

Das aggressive Gendermarketing der Unternehmen fördert die traditionellen Geschlechterrollen, von denen wir glaubten, dass wir sie längst überwunden hätten. Umso wichtiger finde ich es, das Thema „Rosa-Hellblau-Falle“, wie die Journalistin und Autorin Almut Schnerring es bezeichnet, beim Einkaufen immer mal wieder kritisch zu reflektieren. Ohne jedoch andere Familien zu verurteilen, die andere Antworten auf diese Frage gefunden haben oder sich noch nicht so sehr damit auseinandergesetzt haben. Sich moralisch über andere zu erheben, hat schließlich noch niemandem weitergeholfen.

Zumindest darauf können wir uns bestimmt einigen: Ich wünsche mir eine Gesellschaft, in der unsere Töchter die gleichen Chancen haben wie unsere Söhne. In der ein Junge Einhörner gut finden darf, aber nicht muss. Und ein Mädchen auch mal die Anführerin auf dem Piratenschiff sein darf. 

Buchtipp: 

Schnerring, Almut; Verlan, Sascha: Die Rosa-Hellblau-Falle. Für eine Kindheit ohne Rollenklischees. Verlag Antje Kunstmann, München 2021 (überarbeitete, erweiterte Neuauflage). ISBN 978-3-88897-938-5

https://rosa-hellblau-falle.de/rosa-hellblau-falle/

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Wie haltet ihr es mit Kinderklamotten und Farben im Kinderzimmer? Ich freue mich über eure Kommentare.