Frauen und Wut

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Kennt ihr den Film „Alles steht Kopf?“ Darin zieht die elfjährige Riley mit ihren Eltern in eine andere Stadt und ihre Gefühle, jedes in Form eines kleinen bunten Wesens dargestellt, spielen verrückt. Eines davon ist die Wut. Jeder Mensch, egal wessen Geschlechts, trägt dieses kleine, rote Wesen in sich. Die Wut lässt unsere Kleinkinder im Supermarkt in Kreisch- und Heulanfälle ausbrechen. Sie lässt Männer in Kriege ziehen und Zerstörung anrichten. Aber sie kann in Notsituationen auch enorme Kräfte in uns freilegen und Veränderungen zum Guten anstoßen. Unsere Wut zu kontrollieren, ist in einer zivilisierten Gesellschaft sicher ratsam. Sie zu unterdrücken, kann jedoch ebenfalls schlimme Folgen haben und zu Psychosen, Angstzuständen oder Depressionen führen. 

Frauen jedenfalls, wird Wut in unserer Gesellschaft nicht zugestanden. Sanft sollen wir sein, angepasst. Bloß nicht zu unbequem für das Patriarchat. Dabei hätten wir jede Menge Gründe, wütend zu werden: In Deutschland erfährt jede dritte Frau mindestens einmal in ihrem Leben körperliche und/oder sexualisierte Gewalt. Alleinerziehende sind besonders stark von Armut bedroht und finden in den Städten kaum noch bezahlbare Wohnungen, weshalb es für viele von ihnen schwierig bis unmöglich ist, ihre prügelnden Partner zu verlassen. Carearbeit, also all die unbezahlte Arbeit rund um Kochen, Einkaufen, Putzen, Kinderbetreuung und die Pflege älterer Verwandter, wird auch im Jahr 2023 noch immer größtenteils von Frauen erledigt (siehe Gender Pay Gap). Der tägliche Mental Load kommt noch on top. Den meisten Müttern bleibt nur die Wahl, entweder auszubrennen oder jahrelang in Teilzeit zu arbeiten (oder beides) – wofür uns als Dank allein die Altersarmut blüht. 

Doch wir sind von Mädchenbeinen an darauf trainiert, stets nett und höflich zu sein. Wütend werden ziemt sich für Frauen nicht, so die allgemeine Meinung und wenn wir doch mal wütend werden, dann reagieren unsere Mitmenschen schockiert. Also bleiben die meisten von uns freundlich zur Nachbarin, die unsere Gutmütigkeit ausnutzt, zum Chef, der uns anmault und empören uns vor anderen nicht über Politik, so frauenfeindlich sie auch sein mag. Und dann ist da noch diese leise Stimme im Hinterkopf, die uns einflüstert, dass wir sowieso immer schuld seien, als Frau, als Mutter, wenn in Deutschland irgendetwas schiefgeht. Ein Mann wird zum Mörder? Seine Mutter hat ihn wohl nicht genug geliebt. Er belästigt Frauen? Sie hat ihn als Baby wohl nicht gestillt. Dutzende Mädchen wurden mit Rohypnol betäubt und vergewaltigt? Selbst schuld, was gehen sie auch auf ein Rockkonzert und dann noch knapp bekleidet. 

Frauen, die wütend werden, die sich solidarisieren und zusammenschließen, sind der schlimmste Alptraum des Patriarchats. Sie könnten das System zum Einstürzen bringen. Deshalb werden weiterhin Märchen erzählt, von der bösen alten Hexe, von der keifenden Stiefmutter, von der ewig nörgelnden, unzufriedenen Frau des Fischers. Sie sollen das Image von Frauen vergiften, die doch mal wütend ihre Rechte einfordern. Deshalb gelten Frauen, die bei der Arbeit mal auf den Tisch hauen, noch immer als biestig, während Männer durch dieselbe Aktion Respekt gewinnen. 

Zum Glück lassen sich die Mädchen und jungen Frauen der Generation Z von diesen Märchen nicht mehr einschüchtern und beziehen klar Stellung. Gegen alte weiße Männer. Gegen gewalttätige Rockstars. Gegen all die Politiker, die noch immer nichts gegen die Klimakrise unternehmen. Ihre Wut hat Potenzial, Großes zu bewirken. 

Am Ende des Filmes findet Riley ihre Freude wieder. Aber nur, weil sie vorher alle ihre Gefühle ausleben durfte. Auch die Wut.