Ein Tag in einer inklusiven Kita

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Inklusion wird in vielen Kitas bereits umgesetzt. Auch die kleine Tara geht gemeinsam mit Kindern mit Behinderungen in eine Kita. Sie selbst hat keinen Förderbedarf. Ich habe Tara einen Tag lang begleitet und zeige euch, wie alle Kinder von dem Konzept profitieren.

Von Frauke Suhr

Die Käfergruppe

Elf Kinder, drei davon mit einem Inklusionsplatz, drei Erzieherinnen und eine Heilerziehungspflegerin – das ist ihre Gruppe. Seit über einem Jahr geht die zweijährige Tara (Name geändert) in die Oldenburger Kita Philosophenweg, spielt, bastelt und turnt. Und lernt dabei von Anfang an, dass alle Kinder einzigartig sind und trotzdem Freunde sein können.

Ankommen in der Kita

Am Morgen treffen die Kinder in der Kita ein. Sie hängen ihre Jacken an die Haken, legen die Mützen in ihr Fach und ziehen die Hausschuhe an. Einige Kinder sind schon fertig und klettern auf einem Würfel mit Leitersprossen herum. Auf dem langen Flur ist genug Platz für Rollstühle und Laufräder, er lädt zu wilden Wettrennen ein.

Tara mag noch nicht mit ihren Freunden toben. Sie holt ein Buch und bringt es ihrer Lieblingserzieherin. Gemeinsam schauen sie sich die Bilder an, bis der Morgenkreis beginnt.

Inklusive Sprache

Die Kinder sitzen auf Kissen, die sie selbst im Kreis aufgelegt haben. Gemeinsam mit den Erzieherinnen singen sie: „Hallo, guten Tag, so stampfen wir, wir stampfen mit den Füßen.“ Und „Zehn kleine Zappelmänner zappeln hin und her.“ Die Kinder wählen selbst aus, welche Lieder sie singen möchten, mit bunten Karten, die ein passendes Bild dazu zeigen.

An der Wand hängt ein Plakat mit den Regeln der Gebärdensprache. Noch bevor sie sprechen können, lernen die Kinder per Handzeichen zu zeigen: „Ich habe Hunger“, „Lass mich bitte in Ruhe“ oder: „Kann ich mitspielen?“ Auf diese Weise können sie miteinander kommunizieren. Auch die Kleinsten.

Essen und Mittagsschlaf inklusiv gestalten

Nach dem Morgenkreis ist Frühstückszeit. Tara und die anderen Kinder, die dazu in der Lage sind, holen ihre Brotdosen aus den Rucksäcken. Einige Kinder benötigen noch Hilfe beim Essen, weil sie es aufgrund ihres Alters oder einer Behinderung allein nicht schaffen.

Grundsätzlich gilt jedoch: Jedes Kind darf alles erstmal selber ausprobieren. Hilfe wird angeboten, aber nicht aufgezwungen, damit die Kinder so selbstständig werden, wie es ihnen möglich ist. Auch beim Mittagsschlaf gehen die Erzieherinnen so gut es geht auf die Kinder ein. Wer nicht müde ist, darf wachbleiben und im Gruppenraum spielen.

Inklusive Räume in der Kita

Nach dem Frühstück geht es für einige Kinder in den Therapieraum. Eine Ergotherapeutin hilft den Kindern mit Förderbedarf gezielt mit Bewegungsübungen. Das entlastet auch ihre Eltern, die sich nicht um externe Therapieplätze am Nachmittag kümmern müssen. Auch Kinder wie Tara können den Raum nutzen und dort turnen. Ein Ruheraum dient Kindern mit Autismus als Rückzugsinsel.

Draußen spielen alle gemeinsam auf dem großen Spielplatz, mit Laufrädern, Sandförmchen und auf dem großen Klettergerüst. Jedes Kind so, wie es ihm möglich ist.

Problem Fachkräftemangel an Kitas

Einige Eltern nehmen lange Wege auf sich, um ihr Kind in diese Kita zu bringen. Aufgrund jahrelanger Erfahrung und einer engagierten Leiterin hat die Einrichtung in Oldenburg einen guten Ruf.

Leider hilft das nicht gegen den Personalmangel. Vor kurzem mussten zwei heilpädagogische Gruppen des Kindergartens zusammengelegt werden. Auch in Taras Gruppe kommt es gelegentlich zu Notbetreuung. Es fehlt an Fachkräften, wie überall an Kitas in Deutschland. Eltern wie Erzieherinnen stellt das vor große Herausforderungen.

Inklusion als Chance begreifen

Gut gemacht und mit ausreichend Fachpersonal, bieten inklusive Kitas viele Vorteile. Kinder lernen dort von Anfang an, Unterschiede als Bereicherung wahrzunehmen.

Zum Gedanken der Inklusion zählt auch, Kindern aus anderen Kulturen und Kindern mit Fluchterfahrung möglichst ohne Vorurteile zu begegnen. Auch Geschlechterrollen werden in inklusiven Kitas in der Regel frei von Klischees vermittelt.

Am Nachmittag holen die Eltern ihre Kinder wieder ab. Tara stürmt ihrer Mutter sofort in die Arme. Anschließend zieht sie die Mutter noch einmal zurück in den Raum und zeigt ihr stolz das Bild, das sie mit Fingerfarben gemalt hat. Anders als viele Erwachsene, die früher noch getrennt von Kindern mit Behinderungen zum Kindergarten gingen, wird Tara höchstwahrscheinlich keine Berührungsängste aufbauen. Ihre Eltern finden diesen Gedanken sehr schön.


Entscheidungshilfe: Gute inklusive Kitas – darauf kommt es an

Du überlegst, dein Kind in einer inklusive Kita anzumelden? Das kann dir bei deiner Entscheidung helfen:

Zugegeben, leider hat man als Eltern oftmals keine Wahl und muss den nächstbesten Kitaplatz nehmen, der sich einem anbietet. Wenn du jedoch die Möglichkeit hast, dein Kind an eine integrative Kita anzumelden, kannst du dir die Einrichtung zunächst einmal anschauen, zum Beispiel beim Tag der offenen Tür. Vielleicht hast du auch die Möglichkeit, mit anderen Eltern ins Gespräch zu kommen, deren Kinder die Kita bereits besuchen.

Auch der „Index für Inklusion“ kann dir bei deiner Entscheidung helfen. Englische Pädagoginnen und Pädagogen haben ihn entwickelt, um Qualitätskriterien für inklusive Kitas zu definieren. Auf der Webseite der Aktion Mensch kannst du den Index kostenlos herunterladen.

Mit Fragen wie „Heißt die Einrichtung alle Kinder willkommen?“, „Gibt es Fachkräfte zur Sprachförderung?“ und „Wie läuft die Eingewöhnung ab?“, kannst du überprüfen, wie gut eure Kita vor Ort Inklusion bereits umsetzt.

Langfristiges Ziel in Deutschland ist es ohnehin, ab dem Jahr 2028 alle Kitas inklusiv zu gestalten, um möglichst allen Kindern die Chance auf Bildung und Teilhabe zu ermöglichen.

Dieser Artikel wurde am 12. Februar 2023 auf dem Familienblog Bob.family veröffentlicht.