Seitdem sie Kinder hat, verreist unsere Autorin einmal im Jahr allein. Wie sie das schafft, warum sie die Me-Time so genießt und was sie Leuten auf die Frage antwortet, ob sie ihre Kinder gar nicht vermisst, verrät sie in diesem Artikel.
Von Frauke Suhr
Es war eine Woche vor Weihnachten und ich war total erschöpft. In diesem Jahr waren wir von Hamburg ins Grüne gezogen, hatten ein Haus renoviert und neue Kitaplätze für unsere Kinder gesucht. Meine Tochter war etwas über ein Jahr alt, mein Sohn mitten in der Autonomiephase. Und ich hatte das starke Gefühl: Ich muss hier mal raus. Endlich einen Gedanken zu Ende denken, endlich mal wieder eine ganze Nacht durchschlafen.
Drei Tage am Meer – ohne alle anderen
Der Regen sprühte auf die Frontscheibe des Autos und im Radio lief „Drei Tage am Meer“ von Annenmaykantereit, als ich schließlich aufbrach. Schon in dem Moment, als ich unsere kleine Stadt hinter mir ließ und auf die Autobahn fuhr, spürte ich förmlich, wie meine Anspannung nachließ. Ich hatte gar nicht bemerkt, wie ich immer auf Abruf stand, bereit für den nächsten Wunsch oder das nächste Problem meiner Kinder. Die Muskeln gespannt wie eine Raubkatze vor dem Sprung, vierundzwanzig Stunden am Tag.
„Und mir ist mittlerweile klar, das waren Jahre ohne Pause. Und eigentlich weiß ich genau, was ich brauche. Eigentlich weiß ich genau, was ich brauche. ‚Ne Pause. Drei Tage am Meer. Und ich weiß wieder, wer ich bin. Drei Tage am Meer. Und ich weiß wieder, wer ich bin. Ohne alle andern“, sang der Frontsänger Henning May und ich fühlte mich so sehr verstanden.
Das Gefühl, einmal nichts tun zu müssen
In dem kleinen Ort Bergen aan Zee in den Niederlanden hatte ich ein Hotelzimmer für mich gebucht. Es war außerhalb der Saison und deshalb besonders günstig. Bei der Ankunft bekam ich sogar ein Upgrade auf ein größeres Zimmer. Ein Mitarbeiter des Hotels trug meinen kleinen Koffer die Treppe hinauf. Was für ein Luxus, einmal nicht selbst schleppen zu müssen. Als ich allein war, legte ich mich auf das Bett, streckte die Arme und Beine aus und genoss einfach nur das Gefühl, nichts tun zu müssen. Da war niemand, der mir eine Frage stellte, niemand, der mich am Ärmel zog, kein Geschrei, kein Bedürfnis, nur das Bett, ein kleiner Tisch und ein Fenster mit Meerblick.
Ob meine Kinder mich nicht vermissen würden, hatte vor der Abreise eine Bekannte gefragt. Aber sie sind doch bei ihrem Vater, entgegnete ich. In guten Händen, bei ihrem anderen Elternteil, der sich Urlaub nehmen und mir zum Glück diese Auszeit ermöglichen konnte. Der gesehen hatte, wie erschöpft ich war und mich gebeten hatte, mir diese Zeit für mich zu nehmen. Für den ich natürlich das gleiche tun würde. Und du, vermisst du deine Kinder nicht? Um ehrlich zu sein Nein, dachte ich zumindest zu Beginn.

Just breathe
Am ersten Tag machte ich einen langen Strandspaziergang, atmete die salzige Seeluft ein und beobachtete die Wellen, die sich am Ufer brachen. Ich setzte mich ins Strandcafé, das noch geöffnet hatte und jetzt für Weihnachten dekoriert war, mit einem Tannenbaum und bunten Lichterketten. Ich bestellte eine Tomatensuppe und einen Cappucino. Löste in aller Ruhe ein Kreuzworträtsel. Ich konnte mich gar nicht mehr erinnern, wann ich das letzte Mal etwas getan hatte, ohne unterbrochen zu werden.
Am Abend lag ich allein im Bett und spürte meine Brüste drücken. Meine Tochter war noch nicht ganz abgestillt. Ich spürte meinen Körper nach ihr rufen. Ich schlief wenige Stunden so tief wie lange nicht und erwachte dann zur gewohnten, frühen Zeit. Ich pumpte Milch ab und wunderte mich, wie viel davon noch übrig war.
Darf man als Mutter ohne die Familie verreisen?
Allein, dass wir uns diese Frage stellen, zeigt schon, wie wenig wir Müttern zugestehen. Schließlich sind auch Mütter nur Menschen mit ganz normalen Bedürfnissen. Nach Pausen, nach einem Spaziergang in unserem Tempo und danach, einmal in Ruhe einen Kaffee zu trinken. Und manchmal muss es eben eine etwas längere Pause sein, in der wir wieder auftanken, Kraft sammeln, zurück zu uns finden. Davon profitieren schließlich auch unsere Kinder, wenn sie statt einer schnell genervten wieder eine fröhliche Mutter haben.
Nicht die Kinder sind das Problem. Sondern die Tatsache, dass wir Müttern keine Pausen zugestehen. Und Spoiler: Einmal allein duschen oder aufs Klo zu gehen, zählt nicht als Erholungspause.
Die Freude des Wiedersehens
Am nächsten Morgen aß ich im Frühstücksraum des Hotels am Buffet, neben einem großen Tannenbaum. Am Nachbartisch saß eine Familie. Die Kinder stritten sich die ganze Zeit und ich genoss es, einmal in Ruhe zu Ende essen zu können, ohne Brote für andere schmieren zu müssen. Wieder ging ich an den Strand und kurz in die Stadt, kaufte Souvenirs für meine Familie. Doch im Laufe des Tages setzte das Vermissen ein. Eigentlich hatte ich noch eine weitere Nacht gebucht. Doch am Abend packte ich schließlich meinen Koffer und reiste früher ab als geplant.
Auch das ist ok, habe ich für mich gemerkt. Für die erste Reise allein als Mutter reichte eine Nacht für mich aus. Ich fuhr die ganze Nacht über die Autobahn nachhause und schloss in den Morgenstunden meine Kinder in die Arme.

Auf die eigenen Bedürfnisse achten
Es zählt nicht, ob die Me-Time eine ganze Woche oder nur zwei Stunden dauert. Es ist die Selbstbestimmtheit, die zählt und das Gefühl, dass der Akku wieder aufgeladen ist.
Seitdem verreise ich mindestens einmal im Jahr allein. Nach Hamburg, an die Nordsee oder nach Amsterdam. Meistens reicht mir ein Wochenende, um wieder aufzutanken, manchmal brauche ich etwas mehr Zeit.
Natürlich könnte ich auch mit einer Freundin oder meiner Schwester verreisen. Oder mit meinem Mann, wenn die Kinder so weit sind, dass sie bei ihren Großeltern übernachten mögen. Aber ich genieße an der Me-Time besonders das Gefühl, bei meinen Bedürfnissen einmal keine Kompromisse schließen zu müssen. Ich kann spontan entscheiden, worauf ich Lust habe und diesen Luxus weiß ich als Mutter sehr zu schätzen.
Indem ich auf mein Bedürfnis nach Erholung achte, kann ich meinen Kindern ein gutes Vorbild sein. Auch als Mutter oder Vater muss man nicht immer funktionieren, sondern darf sich hin und wieder eine Pause nehmen.
Ein gutes Netzwerk hilft
Damit das allein Verreisen überhaupt möglich ist, braucht es ein Umfeld, das einen unterstützt. Einen Partner, eine Freundin oder Großeltern, die in dieser Zeit das Kind betreuen. Dieses Glück hat nicht jede, auch das ist mir klar. Und nicht jeder Mensch kann das Alleinsein genießen, verreist lieber mit anderen und auch das ist ok.
Die kleinen Auszeiten haben mir gezeigt, dass ich immer noch die Frau von früher bin, nicht nur Mutter. Ich bin froh, dass ich heute beides sein kann, und möchte keine der beiden Rollen missen. Meine Kinder genießen die Zeit mit ihrem Vater und ich kann mich darauf verlassen, dass sie in guten Händen sind. Wenn ich zurückkomme, ist die Freude jedes Mal groß. Auch das ist das Schöne daran.
Dieser Artikel wurde am 30. Oktober 2024 auf dem Familienblog Bob.family veröffentlicht.